Deutlich weniger Besucher als noch in den Jahren zuvor sollten an diesem tollen Sommertag nach Bern ins legendäre Bierhübeli pilgern. Aus allen Ecken der deutschsprachigen Schweiz war man angereist und einmal mehr die vielen Fans aus der Welsch-Schweiz, die ihre Band Rebel Duck und alle anderen Hard Rock Bands des Abends unterstützen wollten.
Und genau mit so einer Band hat der Abend dann auch begonnen. DRIZELLA mussten als eine der "Local Bands" den Abend mit etwas Heimvorteil eröffnen. Und trotz der in der Summe geringeren Besucherzahl, waren um 19:30 Uhr schon richtig, richtig viele Leute hereingeströmt, womit der Auftakt aus dieser Sicht mehr als gelungen war. Das Hard Rock Quartett lieferte souverän ab und erfüllte die Qualität des Einheizers total. Trotz ihres noch relativ jungen Alters, wirkte die Truppe schon ziemlich reif. Wer auf den Sound steht - und da gab es ja an diesem Abend einige - kommt hier voll auf seine Kosten. Der Jury fehlte hier etwas die Innovation und bei den technischen Skills wird die Band mit der Zeit sicherlich auch noch zulegen.
Spieltechnisch haben ROYAL RIOT, die als nächstes dran waren, schon das obere Ende der Fahnenstange erreicht. Die "mechanische Technik" hingegen machte ihnen erst mal zu schaffen. Nachdem das Gitarrenfloorboard nicht wollte, waren sich dann auch Kabel und Gitarrenbuchse nicht ganz einig, was aber Fronter Silas nicht im geringsten aus der Ruhe zu bringen schien, hatte er doch kurz zuvor, nach eigener Aussage, erst eine Prüfung versemmelt und musste nach dem Gig gleich zur nächsten. Dem Auftritt war von all dem Stress nichts anzumerken. Ein Trio, das wohl den Groove, den Funk, Soul und Pop schon mit der Muttermilch aufgesogen hat und bei dem jeder Jam besser, kreativer und ideenreicher ist, als von mancher Rockband die geplanten Auftritte. Knapp scheiterten sie im Publikumsvoting, doch die Jury gab ihnen verdienterweise den Sonderpreis für die beste Technik und das beste Entertainment des Abends.
Da hatten es SIMIA SAPIENS echt schwer. Ihr harter, ziemlich eigenwillige Stoner Rock kam doch sehr sperrig daher, ließ einem keine Verschnaufpause und holperte leider an einigen Stellen. Hier müsste man vielleicht mal mit dem Kehrbesen durchgehen und die Songstrukturen etwas aufräumen, um Platz für die gute Ideen zu schaffen.
Doch schon folgte die nächste Sensation. ND TURN hat wahnsinns Musiker um sich gesammelt und diese Besetzung ist technisch auf dem allerhöchsten Niveau. Leider gehen vor lauter Perfektion ein wenig die Emotionen unter und bei mehr als einem 20-Minuten Set wäre die Frage, ob tatsächlich noch jemand intensiv zuhört, geht man mal davon aus, dass die Band hier im Finale ihre besten Songs gezeigt hat. Hier fehlte dann doch etwas der Pepp und die Frische, oder vielleicht mal ein überraschender Moment und im Vergleich zum Entertainmentfaktor bei Royal Riot hatte man hier eher das Gefühl im Hörsaal der Uni zu stehen. Schade, da sollte auf der emotionalen Ebene sichertlich mehr drin sein.
Die junge Truppe, die sich den Namen SPECIFIC OCEAN gegeben hat, betrat die Bühne. Zarte, wunderschöne cleane Mädchenstimmen - fast Elfengleich - ein Hauch Mystic und ein Hauch Schulband huschten gleichzeitig durch den Raum. Sicherlich ganz viel Potential auch im Bereich des Songwritings, aber alles eben auch erst auf der zweiten Treppenstufe angelangt. Schade, dass die Publikumsstimmen nicht für die Juryqualifizierung gereicht hatten - wäre sonst sicherlich interessant geworden. Aber Emergenza hat auch so schon ein Auge auf die Band geworfen und sie bereits für den Artistpool nominiert.
Tatsächlich gelang erst CRANE'S LEGACY als erster Band des Abends der Einzug in die Juryqualifikation, was aber nicht an der Publikumsmenge lag, die eigentlich ständig okay war, sondern tatsächlich an den insgesamt extrem engen Votings. Die Band selbst lieferte soliden Melodic Hardcore, wobei man dem Fronter seine Leidenschaft durchaus ansah und auch die gesamte Energie der Band auf der Bühne deutlich erkennbar war. Um aber in dem Sektor mit den vielen, vielen guten internationalen Bands Schritt halten zu können, müsste die Band ab sofort täglich 4 Stunden in den Proberaum. Das ist sicherlich nicht zu leisten und auch nicht gewollt. Ein tolles Hobby ist Musik ohnehin und damit ist doch alles gesagt und man sollte hier einen Punkt machen und Danke sagen, dass die Band dabei war und für sich selbst drei tolle Gigs mitnehmen konnte. Am Ende landeten sie bei der Jury auf Platz 5, was vielleicht sogar ja viel mehr ist, als sich die Truppe je erhofft hatte. Somit Prost!
Auch JAN SOLO gelang der Sprung in den Jurytopf. Seine One-Man-Show mit Steel & Westerngitarre ist schon ein besonderer Hingucker. In jeder Fußgängerzone einer weltoffenen Großstadt dürfte er im Nu eine Hundertschaft an Zuhörern generieren und wenn er sich eines Tages komplett dem Tingeln durch Musikbars und Kneipen verschreiben würde, so hätte er damit sicherlich ein sloides Auskommen. Heute wollte er aber die große Bühne im Hübeli rocken, hatte sich für zwei Songs auch noch intstrumentale Begleitung mittels E-Gitarre und Kumpel Mikey besorgt und war alleine durch das Set-Up und den besonderen Blues- und Folksound schon ein besonderer Hingucker. Authentisch, leidenschaftlich und doch tiefenentspannt. So kann man genisen und Spaß haben. Danke für diese außergewöhnliche Performance und Gratulation zu Platz 2.
REBEL DUCK kommen aus Neuchatel, genauso wie ihre Heerschaaren an Fans und wenn auch die Hälfte von ihnen nicht versteht, was die Moderation zum Besten gibt, Musik verbindet und feiern kann man in jeder Sprache. Dieses Hard Rock Quartett hat all die Routine von unzähligen bereits gespielten Shows und ist debei gerade mal in den Anfang Zwanzigern. Eine tolle Bühnenshow, hohe Qualitäten an jedem einzelnen Instrument, starke Songs, die am Ende auch noch zum Mitgrölen geeignet sind und einem im Kopf bleiben. Eine Band mit Charakter und hohen Wiedererkennungswert. Einzig die Zeit spricht gerade ein wenig gegen sie, denn ob und wann Hard Rock mal wieder ein Revival erleben wird und jenseits regionaler Stadtfeste groß gefeiert wird, steht in den Sternen. Aber ungeachtet dessen macht die Truppe alles richtig und sollte weiter mit derselben Leidenschaft und Intension weiterarbeiten unnd wird sich dadurch ihr Publikum erspielen. Ein toller 3. Platz der Juroren und zusätlich noch den Publikumspreis belohnen dieses großartige Engagement.
Das Trio DAGMAR ist deshalb schon herausstechend an diesem Abend, weil sie die Einzigen sind, die auf Deutsch singen. Zusätzlich haben sie ihren ganz eigenen Sound gefunden, der sich irgendwo zwischen DeutschRock, Punk und den Achtzigern seinen Weg bahnt und dabei niemals an Witz und Biss verliert. Dass der Gesang und die gesamte Spieltechnik nicht mit den Top-Bands des Abends mithalten kann stört hierbei auch nicht, denn es gibt genügend Ablenkung auf der Bühne, die die volle Konzentration auf das Geschehen fordert. Ganz knapp hat es für die Drei aus Aarau nicht in die Jury gereicht und dennoch hatten wir mit ihnen drei tolle Konzertabende - Danke!
Eigentlich war die Jury inzwischen schon langsam platt und sehnte sich wohl danach endlich aus dem bisher gesehenen einen Sieger zu küren. Doch dann kamen fünf junge quirllige Kids auf die Bühne, packten den Indie Hammer aus und brachten den kompletten Balkon (auf dem die Jury bis eben noch saß und sich Notizen machte) zum Tanzen und kollektiven Ausrasten. Die Rede ist von DELIRIOUS MOB CREW - 4 Thurgauer Jungs und einem Mädel, die auf Konventionen scheißen und sich nicht drum kümmern, ob es jemandem nun gefällt, oder die Leute damit klar kommen, dass plötzlich alles auf der Bühne komplett abspackt. Sie machen es einfach. Und sie machen es verdammt nochmal richtig gut. Charakter, Ausstrahlung, fette Beats, geile Sounds, gute Hooks und eine unglaubliche Leidenschaft. Wow! Diese Band wollen wir einfach auf dem Taubertal Festival sehen. Auch wenn sie nicht jeder Juror gleich auf die 1 setzt, in der Summe sind sie sich einig - Das ist die aufstrebende Band, die einen internationalen Erfolg für die Schweiz möglich machen kann. Toi, toi, toi. Wir alle drücken euch ganz fest die Daumen.
Dass danach nochmal so eine blutjunge Band kommt, geht dabei fast unter. Doch natürlich konzentrieren wir uns auch nochmal auf das Hard Rock Quartett ROCK-OUT aus dem Emmental, die ihren Faux-Pas aus dem Semifinale mit den Covernummern komplett vergessen machen, denn sie haben genügend eigenes Material und dabei auch noch richtig gutes. Besondes die Ballade zeigt, dass hier durchaus Potential in der Band steckt, welches wir auch gerne im Rahmen des Emergenza Artistpool Bandcamps weiter fördern wollen. Heute reicht es nur für einen 4. Platz - aber was sagt das schon...
Während die Jury sich zur Besprechung und Beratung zurückzog, hatten die Vorjahressieger ROOFTOP SAILORS ihre Gitarren umgeschnallt, um dem diesjährigen Publikum zu zeigen, wie man sich in ein Weltfinale rocken kann.
Hier nun die Platzierungsvergabe der Juroren:
Matthias Mehwald - Artistpool Director / Management MAGGE MUSIC (u.a. Itchy Poopzkid, Blackout Problems, The Jerks, Schlaraffenlandung)
Joel Bader - seit 20 Jahren im Musikbusiness, spielt in den Bands "MXPX" & "SLIMBOY" und ist Inhaber von Mercharsenal-Europe
Etienne Renevey - CEO Beatknicks Production, Komponist, Produzent und Tontechnischer Leiter im Flösserplatz Aarau
Andreas Ryser - Bachelor-Dozent in den Bereichen Musikbusiness an der SAE Zürich
Ruben Mathys - Gitarrist bei Ripstone (2. Platz im Schweizer Finale 2016 & Artistpool Member), u.a. bereits mit Alan Parsons im Studio produziert.
Bands | Matthias | Joel | Etienne | Ruben | Andreas | Sum. | Publ. | Pos. |
Drizella | 68 | |||||||
Royal Riot | 68 | |||||||
Simia Sapiens | 48 | |||||||
ND Turn | 69 | |||||||
Specific Ocean | 63 | |||||||
Crane's Legacy | 5 | 5 | 4 | 5 | 3 | 22 | 90 | 5 |
Jan Solo | 2 | 1 | 2 | 3 | 2 | 10 | 78 | 2 |
Rebel Duck | 3 | 4 | 3 | 1 | 5 | 16 | 123 | 3 |
D A G M A R | 74 | |||||||
DELIRIOUS MOB CREW | 1 | 2 | 1 | 2 | 1 | 7 | 79 | 1 |
Rock-Out | 4 | 3 | 5 | 4 | 4 | 20 | 116 | 4 |
Und hier die Preise:
1. Platz: DELIRIOUS MOB CREW - Teilnahme am Weltfinale in Rothenburg o.d.T. - Taubertal Festival (11.-13. Aug.)
2. Platz: JAN SOLO - Singleproduktion (2 Tage) in den SAE-Studios in Zürich
3. Platz: REBEL DUCK - Steinberg HALion 6 (Software)
Jurypreis: ROYAL RIOT - Steinberg Cubase 9 (Software) + Audiotechnica Kopfhörer & Mikrophon
Publikumspreis: REBEL DUCK - 50 T-Shirts für eure Fans von Mercharsenal-Europe
+ weitere Preise von König & Meyer (Stands) und Audiotechnica
Vielen Dank für eine weitere tolle Saison mit großartigen Bands und Momenten. Wir sehen uns 2018!